AUC HISTORIA UNIVERSITATIS CAROLINAE PRAGENSIS
AUC HISTORIA UNIVERSITATIS CAROLINAE PRAGENSIS

Časopis AUC Historia Universitatis Carolinae Pragensis s podtitulem „Příspěvky k dějinám Univerzity Karlovy“ je periodikum věnované nejen historii pražské univerzity, ale i dějinám vzdělanosti a studentského hnutí v českých zemích. Časopis vycházející od roku 1960 v rámci univerzitní řady Acta Universitatis Carolinae přináší také materiálové studie uveřejňující původní historické prameny (všechny stati jsou opatřeny cizojazyčnými, zpravidla německými a anglickými souhrny). Časopis otiskuje pravidelně recenze a anotace prací k dějinám vzdělanosti a kroniku badatelské činnosti.

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AUC HISTORIA UNIVERSITATIS CAROLINAE PRAGENSIS, Vol 54 No 2 (2014), 11–42

„Suppositio ‚universalia realia sunt ponenda‘ est admittenda“. Nominalismus a realismus na pražské univerzitě v pozdním středověku ve světle jednoho anonymního logického traktátu z let 1394–1397

[“Suppositio ‘universalia realia sunt ponenda’ est admittenda”. Nominalism and Realism at the Prague University in Late Middle Ages in the Light of an Anonymous Tract on Logic Written in 1394–1397]

Martin Dekarli

zveřejněno: 23. 03. 2016

Abstract

This paper provides a summary of the current knowledge about the development of nominalism and realism at the Prague University in Late Middle Ages with the special emphasis on the anonymous ‘sophistria’ treatise on logic. The author reconstructs the institutional and doctrinal context of the logic’s teaching at the Prague Faculty of Arts and draws attention to the importance of the nominalist tradition. Finally, the article revises known facts about John Wyclif’s influence within the Prague intellectual milieu. „Suppositio ‚universalia realia sunt ponenda‘ est admittenda“. Der Nominalismus und Realismus an der Prager Universität im Spätmittelalter im Lichte eines anonymen logischen Traktats aus den Jahren 1394–1397 Der Beitrag befasst sich mit neuen Erkenntnissen über die Entwicklung des Realismus und Nominalismus an der Prager Universität im Spätmittelalter. Er verfolgt die institutionelle und doktrinäre Form des Logikunterrichts an der Prager Artes-Fakultät und macht auf neue Fakten aufmerksam, die mit der Rezeption und dem Einfluss des philosophischen Denkens von Johannes Wyclif verbunden sind. In seinem Hauptteil stellt er bislang unbekannte Seiten der Diskussionen über die universalia realia vor, die bereits in den Jahren 1394–1396 zwischen den Prager Nominalisten und den Realisten geführt wurden. Drei bekannte Nachrichten über doktrinäre Schulen aus dem Zeitraum zwischen ca. 1380–1413/1414 ermöglichten eine Revision der bisherigen Erkenntnisse über die Entwicklung von Realismus und Nominalismus an der Prager Universität. Die ersten beiden Nachrichten, die man ins letzte Drittel des 14. Jahrhunderts datieren kann – die erste stammt von Nicolaus Biceps († 1390/1391) aus seinem Kommentar zu den Sentenzen von Petrus Lombardus, die zweite von einem unbekannten nominalistischen Magister aus einem logischen Sophistria-Traktat –, zeugen von der in der Historiographie bislang unbekannten Vielfalt der Realismus- und Nominalismus-Tradition im Prager Milieu. Beide halten sich an die doktrinäre Trennung in alte und moderne Magister (antiqui et moderni). Nicolaus Biceps, Verfasser der ersten Nachricht, wappnet sich in seinem Kommentar zu den Lombardus’ Sentenzen mit der Autorität der alten Magister (antiqui), die als wahre Zeugen der Wahrheit die Richtigkeit der Konzeption von der realen Existenz allgemeiner Begriffe (der Gattungen, Arten) bekräftigen sollen. Nicolaus’ Kritik richtet sich gegen seinen Rivalen und Konkurrenten in den Auslegungen der Sentenzen, bzw. gegen den modernen Doktor Konrad von Soltau († 1407). Dieser hatte in seinen Auslegungen der terministischen Interpretation der Allgemeinbegriffe, die Spuren des Einflusses von Johannes Buridan trägt, den Vorrang gegeben. Der anonyme nominalistische Magister, Verfasser der zweiten, aus der Zeit um Mitte der 1390er Jahre stammenden Nachricht in dem logischen Sophistria-Traktat, welcher heutzutage in der historisch-kritischen Edition Logica modernorum in Prague about 1400 zugänglich ist, führt aus der Perspektive der semantischen Referenztheorie gleichfalls einen Namenskatalog alter und moderner Magister an. Die Nachricht dieses unbekannten nominalistischen Magisters reflektiert indes ein differenzierteres Bewusstsein von den doktrinären Schulen oder intellektuellen Trends, die im Prager Milieu wirksam waren. Sie belegt die Rezeption nominalistischer Vorbilder und Verfasser wie Johannes Buridans, Marsilius von Inghens, Thomas Manlevelts, Thomas von Kleves sowie das Wirken der Tradition und Autoritäten des Realismus wie beispielsweise Johannes Duns Scotus’, Richard Brinkleys und Johannes Wyclifs. Sich selbst hält der anonyme Verfasser für einen Erben der modernen Magister und setzt sich an mehreren Stellen seiner Abhandlung mit den Anschauungen einer Gruppe auseinander, die er Universalisten (universaliste) nennt. Dem Editor der Edition Logica modernorum in Prague about 1400 war es nicht gelungen, irgendeinen in diese Gruppe gehörenden Denker zu identifizieren. Bei eingehender Untersuchung der Schlüsselpartien der Edition des anonymen logischen Sophistria-Traktats konnte nachgewiesen werden, dass das Etikett „Universalisten“ (universaliste) Johannes Wyclif und seine böhmischen Nachfolger bezeichnet, nämlich Stanislaus von Znaim, Stephan von Paleč und Jan Hus. In zahlreichen Debatten mit den Prager Nominalisten verteidigten die böhmischen Magister die semantische Theorie der einfachen Supposition (suppositio simplex), die es ihnen zusammen mit dem formalen Prädikation (praedicatio formalis) ermöglichte, an dem Postulat der realen Existenz des Allgemeinen festzuhalten, und desgleichen besondere Beziehungen zwischen Allgemein- und Einzelbegriffen anzunehmen. Des weiteren konnte mit vorliegender Studie indirekt bestätigt werden, dass einige Teile aus Wyclifs Abhandlung De universalibus (und auch aus anderen seiner Traktate in Summa de ente) bereits vor 1397, der in der Historiographie als kanonisch geltenden Grenze, im Prager Milieu bekannt waren; der gesamte Text stand hier offenbar erst ab 1398 zur Verfügung. Nach einer eingehenden Ermittlung der institutionellen Gestalt des Logikunterrichts und des doktrinären Charakters der Prager Artes-Fakultät in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wird auf die Bedeutung von Übermittlung und Rezeption englischer bzw. anderer logischer Traktate im Prager Milieu aufmerksam gemacht (insbesondere des Handbuchs De probationibus terminorum von Richard Billingham, einiger Abhandlungen von William Heytesbury, Richard Kilvington und Richard Brinkley). Diese neuen Erkenntnisse gestatten insgesamt folgenden Schluss: Bei der Übermittlung der Handschriften von Oxford nach Prag kamen zusammen mit einigen einflussreichen Traktaten englischer Logiker allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht nur Logik-Abhandlungen, sondern auch philosophische Abhandlungen Johannes Wyclifs nach Böhmen.

klíčová slova: Prague University; realism; nominalism; universals; logic; semantics; Richard Billingham; Richard Brinkley; John Wyclif; Stanislaus de Znoyma; Stephanus de Palecz; Jan Hus

157 x 230 mm
vychází: 2 x ročně
cena tištěného čísla: 150 Kč
ISSN: 0323-0562
E-ISSN: 2336-5730

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